ARCHITEKTUR

DAS GEBÄUDE

Das Theater wurde im Stil der Organischen Architektur gebaut. Es liegt innerhalb weiter Rasenflächen am Nordosthang des Klieversberges, der oberhalb des Theaters bewaldet ist. Von der Porschestraße aus ist das Theater durch spätere Neubauten wie dem „Südkopf-Center“ kaum noch zu sehen. Der Grundriss ist lang, schmal und unregelmäßig. Die Zuschauereingänge und das 80 Meter lange Foyer befinden sich im flachen, südöstlichen Teil, der Bühnenteil ist mit 24 Metern deutlich höher und schließt sich nach Nordwesten an. Dort befinden sich in einem weiteren flachen Anbau die Räume für Verwaltung und Künstler. Das Theater befindet sich – auch im Inneren – bis auf Schönheitsreparaturen weitgehend im Originalzustand.

Die Außenwände der beiden Flügel und der untere Bereich des Bühnenteils sind mit geschnittenem, natürlich gemasertem, hellem Travertin bedeckt, und schließen oben mit einem Gesimsband aus Aluminium ab. Für den oberen Teil des Bühnenbereichs wurden dunklere Brekzie-Platten verwendet. Das Bühnenbereich ist weitgehend durch fensterlose Mauern gekennzeichnet, während das Foyer ein 25 Meter breites Panoramafenster mit Blick auf die Innenstadt aufweist.

Vom relativ kleinen Kassenraum gelangt man durch vier zweiflüglige Türen in das 80 Meter lange, mit hellgrauem Veloursteppich ausgelegte Foyer. Es weist zahlreiche Besonderheiten auf, etwa sechs goldbronzefarbene Stützsäulen in je zehn Meter Abstand und zahlreiche Sitzgruppen. Auf der Innenseite des Panoramafensters verläuft die Decke schräg nach oben. Zur Waldseite hin befindet sich – vom Eingang kommend – erst auf Höhe des Theaterrestaurants ein großes Fenster. Im Vorraum der Damentoiletten befinden sich 20 Schminkplätze mit orange bezogenen Hockern aus der Originalausstattung des Theaters. Vier zweiflüglige Saaltüren führen zum Zwischenfoyer, das die Höhe des Zuschauerraums hat und auch als „Nachhallspeicher“ dient.

Der „Große Saal“ hat einen trapezförmigen Grundriss mit schmaler Bühnenseite; Wände und Decke sind mit Eschenholz getäfelt, der Boden mit hellem Teppichboden belegt. An der Seite der Bühne befindet sich ein über 70 Quadratmeter großes Fenster, das Proben bei Tageslicht erlaubt, zur Vorstellung aber hinter einem Vorhang verborgen ist. An den Seitenwänden befinden sich je sechs Akustiksegel aus Kunststoff. Der Zuschauerraum bietet 777 Sitzplätze bei Musiktheater-Vorführungen und 833 Sitzplätze im Schauspiel sowie jeweils 120 Stehplätze. Die Stühle aus Eschenholz sind rot gepolstert; der obere Teil der Rückenlehne ist aus akustischen Gründen nicht gepolstert. In die Stuhllehnen sind Elemente der Belüftung und der Heizung integriert, die durch eine Druckkammer unter dem Zuschauerraum versorgt werden. Die Plätze sind in Parkett, Loge und Rang unterteilt. Während die Sitze im Parkett achsensymmetrisch und leicht nach innen geneigt angeordnet sind, sind die Sitzreihen des weit über das Parkett ragenden Rangs asymmetrisch. Die Loge bietet 47 Zuschauern Platz. Die Hauptbühne misst 22,5 Meter in der Breite und 14 Meter in der Tiefe, die Spielöffnung ist maximal zwölf Meter breit und sieben Meter hoch. Die beiden höhenverstellbaren Orchesterpodien sind zusammen 95 Quadratmeter groß. Die Bühne verfügt über einen versenkbaren Orchestergraben.

Daneben gibt es eine Seitenbühne und die „Hinterbühne“ mit 200 Zuschauerplätzen. Dort befindet sich auch eine Drehscheibe mit zwölf Metern Durchmesser, die zur Präsentation von Volkswagen-Modellen vorgesehen war. Die Probenbühne befindet sich elf Meter über der Hauptbühne und hat ein großes Fenster nach Nordwesten.

EIN BAU, DER FUNKTIONIERT WIE DIE NATUR

Architektur, ganz für die Landschaft und Besucherströme konzipiert: Hans Scharouns Wolfsburger Theater

Als Stadt mit erst kurzer und dann auch noch sehr belasteter Geschichte hat Wolfsburg nach dem Zweiten Weltkrieg sehr bewusst und systematisch den architektonischen Neuanfang im Geist der Moderne gesucht. Als ein vollendeter Bau des Funktionalismus thront so seit 1973 das Theater, geschaffen von dem bereits damals berühmten Architekten Hans Scharoun, auf dem grünen Hügel gegenüber der Stadt.

„Das Werk ist ganz für die Landschaft konzipiert“, erläutert Architektur-Professor Gerhard Auer. „Es ist kein städtischer Bau wie die Theater an den zentralen Plätzen anderswo, sondern muss sich mit einer gewissen Wucht von weitem, am Ende der aus der Stadt führenden Blickachse der Porschestraße behaupten.“

Die Funktionen der einzelnen Bauteile werden auf Anhieb sichtbar: Das klotzige, fensterlose Bühnenhaus, das eben die Blackbox als Spielfläche des Theaters birgt und auch nach außen nichts anderes behauptet. Eine theatrale Geste wie später in der Postmoderne wird vermieden. „Die anderen Räume, Flure, Foyers sind ganz von den Besucherströmen bestimmt“, erklärt Auer.

Im Zentrum steht der Zuschauerraum, der von möglichst gleichmäßig guten Sichtbedingungen geprägt ist. Die Flure führen in einer strahlenförmigen Lenkung der Besucher darauf zu. Große Fenster gibt es nur in den Pausenfoyers, da wo man sehen und gesehen werden will.

Auer betont auch Details wie die sich breit, aber flach öffnende Eingangsfront zum Parkplatz hin: „Das ist wie eine Umarmung, da wird der Zuschauer sanft ins Theater eingeladen. Aber ganz ohne alle repräsentative Allüre, denn den Eingang sieht man von unten sowieso nicht.“

Auer betont auch den Unterschied dieser freien, etwas verschachtelten, sich der Natur einschmiegenden Form gegenüber der streng dem Bauhaus folgenden Moderne: „Den rechten Winkel, die Serie in der Abfolge von Abständen und Elementen werden Sie hier nicht finden.“ Alles ist funktionsgerecht, den Bewegungen der Landschaft und des Publikums folgend eingerichtet, und Menschenströme fluten nun mal nicht um 90 Grad.

Bei allem Funktionalismus hat Auer aber auch eine Anekdote aus Scharouns schachteligem Bau der Berliner Philharmonie parat, wo der Zuschauer manchmal Mühe hat, seinen Platz zu finden. „Ich habe als Student an einer Baustellenführung durch Scharoun teilgenommen, da hat er sich selbst verlaufen.“

Auch die Schmuckfeindlichkeit des Funktionalismus hat Scharoun gelegentlich etwas unterlaufen, wenn man an die Schuppungen und den Goldton der Philharmonie denkt. Oder den geschnittenen, in sich natürlich gemaserten Stein, aus dem das Wolfsburger Theater erbaut ist. Zumindest von nahem gibt das – ohne alle Funktion – etwas dekorative Struktur.

(von Andreas Berger)

Hans Scharoun, Architekt